Südamerika 2016

Donnerstag, 24. März 2016


Iguazu - das grosse Wasser

Da es keine direkten Flüge nach Iguazu gibt, fliegen wir etwas umständlich von Santiago nach Buenos Aires und dann weiter zu unserem Ziel. Schon bei der Buchung gilt es gut aufzupassen, denn Buenos Aires hat zwei Flughäfen, die gut zwei Stunden Autofahrt voneinander entfernt liegen. Es klappt aber alles gut und wir landen am späten Nachmittag in Puerto Iguazu, dem Ausgangspunkt zu den Wasserfällen. Die Stadt liegt an der Mündung des Iguazu Flusses, welcher in den Parana Fluss fliesst. Hier, im sogenannten Dreiländereck, stossen Argentinien, Brasilien und Paraguay aufeinander. Die Grenzen kann man an dieser Stelle allerdings nicht überschreiten, denn sie werden durch die genannten Flüsse gebildet. Die Wasserfälle liegen in einem Nationalpark, etwa 20 Kilometer entfernt. Eigentlich sind es zwei Nationalparks, denn der Fluss Iguazu ist der Grenzfluss zwischen Argentinien und Brasilien. Der grössere Teil der Fälle liegt auf argentinischem Boden, allerdings haben die Brasilianer den schöneren Blick auf das Naturwunder. Die Nationalparks sind als Weltnaturerbe der UNESCO eine der grössten Attraktionen in diesen Ländern und darum ist auch der Andrang besonders gross. Wir besuchen zuerst den argentinischen Teil, den wir nach einer halbstündigen Busfahrt erreichen. Weiter geht es mit einer Schmalspurbahn zu den verschiedenen Stationen im Park. Dort beginnen die Wanderwege zu den eigentlichen Fällen. Auf breiter Front stürzt sich das Wasser in die Tiefe. Zum Hauptwasserfall, Teufels Schlund genannt, führt ein kilometerlanger Steg.


Der Anblick ist überwältigend - unvorstellbare Wassermassen fallen mit grossem Getöse in die tiefe Schlucht. Wassergischt steigt zum Himmel auf und bildet einen schönen Regenbogen. Andere Stege und Wege führen oberhalb und unterhalb der Fälle durch die tropische Vegetation. Ja, wenn es nur nicht so viel Menschen mit dem gleichen Ziel hätte. Stundenlang kann man sich hier verweilen und immer wieder entdeckt man neue Fälle. Es wird auch eine Bootsfahrt angeboten, die bis dicht an das fallende Wasser führt, eine sehr nasse Angelegenheit. Wir beobachten die aus dem Boot steigenden Touristen - kein Faden an ihnen ist trocken geblieben geblieben.

Bei der Wanderung bekommen wir irgendwann Hunger. Kein Problem, denke ich, es hat genug Verpflegungsmöglichkeiten unterwegs. So steuere ich eine Imbissbude an, um ein paar Empanadas zu kaufen. Empanadas, gebackene Teigtaschen mit verschiedenen Füllungen, sind eines der Nationalgerichte in Argentinien. Doch, oh Schreck, kaum verlasse ich den Laden, wird mir der Papiersack mit den Esswaren brutal und ohne Vorwarnung aus der Hand gerissen. Nein, kein Mensch ist der Übeltäter, es ist ein vierbeiniger Räuber. Genau gesagt ein Nasenbär, welcher sich auf diese Art der Nahrungsbeschaffung spezialisiert hat. 

Und er ist nicht der Einzige, grosse Gruppen dieser Tiere lauern hier und warten auf eine günstige Gelegenheit. Wohl wird überall vor ihnen gewarnt, doch die Konfrontation mit der Wirklichkeit ist schmerzhaft. Es bleibt mir nichts anderes übrig als das Essen noch einmal zu kaufen während der Nasenbär seine Beute am Waldrand genüsslich verspeist. Die Verkäuferin lacht, ich bin wohl beileibe nicht das einzige Opfer dieser Plage. Mir noch einmal das Essen stehlen lassen will ich nicht riskieren, wir essen die Empanadas lieber im Laden. Und ich erkläre die Nasenbären hiermit zu meinen persönlichen Feinden. Hätten sie anständig gefragt, hätte ich ihnen ein Stück abgegeben, so aber nicht!


Am nächsten Tag fahren wir über die Grenze, um auch den brasilianischen Nationalpark zu besichtigen. Der Grenzübertritt ist relativ einfach, doch ohne Stempel im Pass geht es natürlich nicht. Wie schon gesagt umfasst der brasilianische Park den kleineren Teil der Wasserfälle, dafür ist der Blick von diesem Ufer aus noch fantastischer - einfach unbezahlbar. Im Unterschied zu Argentinien erlauben die Brasilianer Helikopterflüge über die Wasserfälle. Auch hier sind nicht nur die Preise gross, sondern auch der Andrang. So fällt uns die Entscheidung leicht - aus Zeitmangel müssen wir verzichten.


Ausserhalb der Parks gibt es weitere Sehenswürdigkeiten wie zum Beispiel ein Vogelpark. In riesigen Volieren kommen wir den Vögeln sehr nah (klar, sie können ja nicht wegfliegen). Unser Lieblingsvogel ist der Tukan. 


Mit seinem riesigen Schnabel wirkt er recht komisch und es sieht aus, als ob nur ein Schnabel ohne dazu gehörenden Körper durch den Urwald fliegen würde. Im Kolibri-Garten in Puerto Iguazu gibt es keine Volieren. Hierher kommen  die kleinen Vögel freiwillig. Verständlich, sie werden mit Zuckerwasser gefüttert. 1.5 Kilogramm Zucker verfüttert die Besitzerin an jedem Tag, erzählt sie uns. Normalerweise ernähren sich die Kolibris von Blütennektar. An ihn zu gelangen ist aber nicht so einfach, doch hat die Evolution die Vögel entsprechend ausgerüstet. Die Kolibris können rückwärts fliegen und sogar in der Luft stehen bleiben, wie ein Hubschrauber. Der Garten ist nicht gross aber es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Stundenlang kann man dem bunten Treiben zuschauen, nur das Fotografieren ist recht schwierig. Einige der Vögel sind so klein, dass man sie gut mit Insekten verwechseln könnte, andere schillern in allen Regenbogenfarben.



Mit diesem Besuch geht unsere Südamerikareise zu Ende. Es stehen uns noch viele lange Stunden im Flugzeug bevor bis wir in der Schweiz wieder den festen Boden betreten. Aber das gehört auch zum Reisen.

Sonntag, 13. März 2016


Chile - Argentinien, hin und zurück, rauf und runter

Nun fahren wir also rauf zum San Francisco Pass. Die Strasse auf der argentinischen Seite steigt fast unmerklich und sie ist gut ausgebaut. Weite Andentäler wechseln mit farbeprächtigen Schluchten. Auf der Höhe von etwa 4300 Meter liegt die argentinische Grenzstation, überragt von einem Vulkan. Viel zu tun haben die Beamten nicht, nach ihren Aussagen passieren täglich zwischen 20 und 30 Fahrzeuge die Grenze. Der Passübergang liegt noch 20 Kilometer weiter und 400 Meter höher. Oben, genau an der Grenzlinie, hört der Asphalt auf und es beginnt die chilenische Wellblechpiste. Starker, eisiger Wind bläst uns entgegen, also lieber nicht aus dem Auto steigen, die Tür lässt sich gegen den Wind sowieso nur mit viel Kraftanstrengung öffnen. Natürlich wollen wir nicht in dieser Höhe übernachten aber nach zwei Stunden Fahrt zeigt das GPS immer noch 4300 Meter. Es gibt heute keine Möglichkeit mehr tiefer zu kommen, wir müssen über Nacht an der Laguna Verde bleiben. Eigentlich haben wir hier Flamingos erwartet und wirklich, es gibt ganze drei davon. Natürlich ist Romy etwas enttäuscht.


Das Wasser der Lagune hat eine unwirklich grüne Farbe, die zu Blau wechselt sobald die Sonne gegen den Westen sinkt. Dann wird es sofort kalt, brutal kalt. Schlafen können wir sowieso nicht gut, dazu sind wir zu hoch. Romy erwischt es - Kopfschmerzen, Durchfall und Erbrechen. Ja, die Höhe fordert ihren Preis. Am nächsten Morgen sind die Fenster vereist, dazu ist die Wasserleitung gefroren. Die Heizung braucht lange bis sie den Innenraum wenigstens etwas erwärmt hat. Wir trinken nur eine Tasse Tee und fahren los. Nach einer weiteren Stunde Fahrt erreichen wir die chilenische Grenzstation, aber diese liegt immer noch auf 4300 Meter. Die Beamten sind freundlich, vielleicht, weil wir heute das erste Auto sind. Diesmal wird nur der Knoblauch beschlagnahmt, wir haben vorgesorgt. Die Strasse wird teilweise besser, Bauarbeiter sind an einigen Abschnitten an der Arbeit. Am späten Nachmittag erreichen wir Copiapo, die erste grössere Stadt in Chile. Sofort suchen wir ein Einkaufzentrum auf um unsere Vorräte wieder aufzufüllen, denn über die Grenze darf man keine Frischprodukte und kein Fleisch mitnehmen. Was für ein Unterschied, am Morgen haben wir noch in der kargen Wildnis gefroren, nun sind wir mitten in einer Stadt mit flanierenden Menschen und Geschäften, die alles haben was das Herz begehrt. Und es ist wieder sehr heiss. Ja, nicht nur der Reichtum, sondern auch die Temperaturen sind nicht gerecht verteilt auf dieser der Welt.

Auf dem Weg nach Süden besuchen wir bei Punta Charos ein Naturschutzgebiet. Dieses liegt nicht auf dem Festland, sondern es besteht aus drei kleinen Inseln, wo Meeresvögel inklusiv Pinguine leben. Letztere sind recht klein und heissen Humboldt Pinguine. Auch Pelzrobben und ein See- Elefant liegen faul am Strand. Betreten dürfen wir die Insel allerdings nicht, Naturschutzgebiet! Das grösste Erlebnis bei der ziemlich nassen Bootsfahrt wird die Begegnung mit Delphinen. Lange schwimmen sie nah beim Boot und springen dabei immer wieder vergnügt in die Luft.





In der Nähe von La Serena werden viele Trauben angebaut. Es wird aber nicht Wein daraus gekeltert, sondern ausschliesslich Pisco hergestellt. Das ist ein Traubenschnaps, ein wenig ähnlich wie Grappa und wird in Chile mit Vorliebe getrunken. Pur oder als Aperitif „Pisco-Sauer“ genannt. Die angebaute Traubensorte ergibt sehr süsse Trauben, der Most wird in riesigen Tanks fermentiert und später bis dreimal hintereinander destilliert. Die billigeren Sorten kommen gleich in Verkauf, die teureren werden bis zu drei Jahren in Eichenfässern gelagert. Wir besuchen eine Destillerie, aber leider fängt die Weinlese erst in ein paar Wochen an. Wir können deshalb bei unserem Rundgang nur die riesigen Fässer und die Abfüllanlage sehen. Und natürlich gibt es auch eine Kostprobe. Doch zu viel kosten verbieten die Hitze und die bevorstehende Weiterfahrt.

Ja, es geht nun wieder rauf, wir fahren zum Aqua Negra Pass. Durch eine unheimlich farbige Schlucht windet sich die Strasse hoch. Wir denken, die farbenprächtigsten Schluchten bereits gesehen zu haben, werden aber immer wieder aufs Neue überrascht. Man hat hier zwei Stauseen für die Bewässerung der Weinberge unten im Tal angelegt. Ganz oben passieren wir sogar einige Schneefelder, aber da haben wir schon die Passhöhe erreicht. Es sind wieder über 4700 Meter.


Ein Stück weiter auf der argentinischen Seite kündigt eine grosse farbige Tafel einen Tunnelbau an. Aber ausser der besagten Tafel sehen wir keine Bautätigkeit. Doch einige Hundert Höhenmeter tiefer wird emsig an der Zufahrtstrasse gearbeitet. Wir haben wieder Asphalt unter den Rädern. Bei der argentinischer Grenzkontrolle unten im Tal, 150 Kilometer hinter dem chilenischen Posten, schimpft der Grenzbeamte mit uns, weil wir im „Niemandsland“ übernachtet haben. Angeblich braucht es dazu eine Bewilligung. Wir behaupten: „Die Chilenen haben uns das erlaubt“. Aber damit sind wir ins „Fettnäpfchen getreten, denn die Argentinier sind nicht gut auf die Chilenen zu sprechen. Es bleibt bei Worten, die Beamten knallen die Stempel in die Pässe und wir sind nun offiziell wieder in Argentinien.

Unser erstes Ziel ist der Nationalpark Valle de la Luna. In Südamerika gibt es viele schöne Täler, die sich Valle de la Luna nennen, aber dieses hier übertrifft alles, was wir bis jetzt gesehen haben. Vor vielen Millionen Jahren war hier eine tropische Landschaft. In den Sedimenten aus dieser Zeit wurden die ältesten Dinosaurierknochen überhaupt gefunden. Ausserdem gibt es farbenprächtige (ich weiss, ich wiederhole mich) Hügel und Felsen. Eine Besonderheit sind die kugelförmigen Steine, die an einem Hang liegen.


Auf den ersten Blick würde man denken, es seien versteinerte Dinosauriereier, aber es sind hart gepresste Sedimente. Die Besichtigung des Park erfolgt auf eine ungewöhnliche Weise. Allein zu fahren ist im Park nicht gestattet, es wird gewartet, bis genügend Fahrzeuge am Eingang eintreffen. Dann fährt man in einer Kolonne unter der Führung eines Rangers auf der 40 Kilometer langen Piste durch den Park. An interessanten Orten wird angehalten und der Ranger gibt Erklärungen ab. Dann dürfen wie wieder den Staub des Vorgängers schlucken wovon es mehr als genug gibt, denn jedes Fahrzeug zieht eine lange Staubfahne hinter sich her. Unglaublich, dass in dieser trockenen Gegend auch Tiere leben. Um Vicuňas im Abendlicht oder ein Wüstenfuchs zu sehen, schlucken wir doch gerne ein bisschen Staub.

Zur Abwechslung möchten wir wieder einmal die Stadtluft schnuppern. Es bietet sich Mendoza an. Auf dem Weg dort hin besuchen wir einen skurrilen Wallfahrtsort namens Difunda Correa. Er geht auf eine Legende von einer jungen Frau zurück, die sich in der Wüste verirrt hat und verdurstet ist. Das Baby, das sie dabei hatte, konnte sich auch nach ihrem Tode von nicht versiegter Muttermilch ernähren und wurde gerettet. Das war das erste ihr zugeschriebenes Wunder, es folgten andere mehr und so ist sie zur Schutzheiligen - vor allem für Autofahrer - geworden. Unzählige Tafeln und Autonummernschilder sind hier als Dank für gewährtes Glück im Verkehr angebracht. Kein Lastwagenfahrer fährt vorbei ohne eine Ehrenrunde um das Heiligtum zu drehen, denn Glück beim Fahren kann man nicht genug haben. Das gilt natürlich auch für uns. Auch scheint die Heilige im Nebenamt eine Schutzpatronin der Hauseigentümer zu sein. Hunderte kleiner Hausmodelle sind rund herum aufgestellt.

In Mendoza haben wir Glück, wir sind im richtigen Moment gekommen, heute findet hier das grösste Fest des Jahres, die Vendimia (Weinlesefest) statt. Am Umzug fahren gut 50 grosse, prächtig geschmückte Lastwagen, auf jedem eine Anwärterin auf die Weinkönigin des Jahres 2016 mit ihren Hofdamen. Zwischen den Lastwagen reiten die Gauchos hoch zu Ross.


Die eigentliche Wahl der Weinkönigin findet am Abend in einem riesigen Amphitheater im Stadtpark statt. Mehr als 15‘000 Zuschauer finden darin Platz und keiner wird enttäuscht. Das Spektakel ist gewaltig. Hunderte von Tänzern und Tänzerinnen, unterstützt von der neuesten Bühnentechnik, stellen in verschiedenen Bildern die Geschichte Argentiniens und besonders von Mendoza dar, nebst Weinbau und anderen Traditionen. Alles ist betont patriotisch, aber dem Publikum gefällt es sehr. Auch ein Feuerwerk gibt es. Die Wahl der Weinkönigin verstehen wir nicht ganz, denn es werden gleich drei gewählt. Alle sind jung und hübsch, wie könnte es anders sein.


Dann geht es wieder rauf und runter, wir nehmen den letzten Pass unserer Reise unter die Räder. Der Cristo Retendor ist der wichtigste Pass zwischen Chile und Argentinien. Früher führte sogar eine Eisenbahnlinie über den Pass. Leider ist sie schon lange nicht mehr im Betrieb, ihre traurigen Überreste begleiten uns auf dem Weg. Wir müssen uns aber diesmal nicht in unzähligen Kurven bis zum höchsten Punkt plagen, denn es gibt hier wirklich einen Tunnel. Doch vorher haben wir im Sonnenschein einen wunderschönen Blick auf den Aconcagua, mit 6962 Metern der höchste Berg Amerikas.


Noch einmal geht es über die Grenze, diesmal wird der Rest unserer Salami mit vielen Entschuldigungen beschlagnahmt. Dann bleiben nur noch etwa 150 Kilometer bis Santiago. Wir waschen den Camper an einer Tankstelle und am späten Nachmittag fahren wir nach mehr als 5000 Kilometer in den Hof des Vermieters ein. Alles ist gut gegangen, keine Panne (ausser einem Plattfuss) und keine Schramme oder Beule. Wir sind zufrieden. Den letzten Tag in Chile verbringen wir mit der Besichtigung von Santiago. Dabei passiert etwas Unerfreuliches - in einem Park werde ich mit einer unbestimmten Flüssigkeit bespritzt. Sofort eilen „Helfer“ herbei, um mir bei der Reinigung zu helfen. Darauf lasse ich mich aber gar nicht ein, solche Tricks sind uns längst gut bekannt und in jedem Reiseführer beschrieben. Während der Reinigung durch die „Helfer“ wird man des Geldbeutels oder anderen Dingen entledigt. Und so trage ich ausser ein paar Flecken am Hemd keinen Schaden davon.


Wir verlassen Chile nun endgültig. Den ganzen Tag verbringen wir im Flugzeug oder mit warten an verschiedenen Flughäfen. Ausgerechnet heute, am Geburtstag von Romy. Nein, wir fliegen noch nicht nach Hause. Wohin dann? Davon handelt der nächste Beitrag.

Sonntag, 28. Februar 2016


Ein Seitensprung nach Argentinien

Zuerst die versprochene Schilderung von der Besichtigung der Kupfermime Chuquicamata. Gleich nachdem der Bus das Werkgelände erreicht hat, muss jeder die Sicherheitsweste und den Schutzhelm anziehen. Vorschrift ist Vorschrift - Sicherheit geht vor. Dann stehen wir am Rand, unter uns ein riesiges, von Menschen geschaffenes Loch, fast fünf Kilometer lang, drei Kilometer breit, mit vielen Terrassen und etwa 1000 Meter tief. Täglich werden hier mehrere hunderttausend Tonnen Gestein abgebaut und mit überdimensionierten Lastwagen (ein Reifen hat ein Durchmesser von vier Metern) hochgekarrt. Anschliessend wird das Gestein zerkleinert und mit verschiedenen Chemikalien behandelt. Im Jahr gewinnt man so etwa 500 000 Tonnen reinen Kupfer, was 10% der Weltproduktion ist. Dazu kommt noch eine kleinere Menge Mineralien wie Gold, Silber und einiges mehr. Alles andere landet auf riesigen Abfallbergen. Das Erzvorkommen sollte noch für etwa 70 Jahre reichen, allerdings wird die offene Mine nach und nach in eine unterirdische umgewandelt. Die Arbeiter sollen zu den bestbezahlten in Chile gehören (sie verdienen etwa das dreifache eines Durchschnittslohnes). Zu Recht, denn die Arbeitsbedingungen sind hart. Hitze und vor allem unvorstellbar viel Staub, dazu kommen die Verschmutzung durch die giftigen, in der Produktion verwendeten Stoffe, das ist ihr Arbeitsalltag.



Nun verlassen wir Calama und fahren in die Berge. Das klingt zwar einfach aber es bedeutet, dass wir heute von etwa 2400 Höhemeter auf 4300 Meter gelangen werden.

Dort liegen am Fusse eines Vulkans die Geysire von El Tatio. Am späten Nachmittag erreichen wir unser Ziel. Kurz besichtigen wir das Thermalfeld, wir sind die einzigen Besucher hier. Sogar ein Schwimmbecken ist vorhanden, wo man im herrlich warmen Mineralwasser baden kann. Wir lassen es sein, erstens muss man nach dem Bad irgendwann raus in die sehr kalte Luft und zweitens macht uns die Höhe zu schaffen. Ein paar Schritte und wir schnappen nach Luft, dazu kommen noch Kopfschmerzen, da bleiben wir lieber im gutgeheizten Camper.

Diese Nacht schlafen wir nicht gut und vor allem kurz. Denn noch bei Dunkelheit kommen schon die ersten Touristen aus San Pedro de Atacama, ein voller Bus nach dem anderen. Der Grund: die Tourenanbieter versichern den Kunden, dass die Geysire am Morgen besonders aktiv sein sollen. Unser eigener Vergleich bestätigt diese Behauptung nicht. Allerdings wirken die Dampffahnen der Geysire in der kalten Morgenluft und in der Windstille viel imposanter als am Nachmittag, wenn der Wind stark bläst. Plötzlich wimmelt es nur so von Menschen, es wird emsig fotografiert. Die Touristen bekommen Frühstück, die Eier dazu werden im heissen Wasser der Thermalpools gekocht, was wir auch versuchen. Und siehe, es klappt. Nach etwa zwei Stunden ist der Spuck vorbei und wir sind wieder fast alleine hier.


Wir fahren weiter nach San Pedro de Atacama, dem Hauptort dieser Region. Unterwegs beobachten wir wieder Vicunas und in der Nähe von kleinen Indio-Dörfern auch Lamas, die ihre Besitzer hier frei weiden lassen. An einer Lagune schauen wir lange den Flamingos zu. Langsam geht es wieder etwas runter, San Pedro liegt auf etwa 2400 Meter. Dort erleben wir eine Überraschung der anderen Art. Die Stadt ist überfüllt mit Touristen, alle vier Campingplätze, die wir mühsam abklappern, sind entweder voll oder nicht für ein Wohnmobil geeignet. So müssen wir notgedrungen die Nacht auf einem Feld hinter dem Ort verbringen. Also, aus einem längeren Aufenthalt hier wird nichts. Wir besichtigen die Sehenswürdigkeiten in der Umgebung, erledigen in der Stadt unsere E-Mails und Einkäufe, tanken voll und brechen auf in Richtung Argentinien.



Der Weg führt über eine gut ausgebaute Strasse zum Pass Jama. Nach einer kurzen flachen Strecke kennt er nur eine Richtung - nach oben. Bald sind wir wieder auf 4000 Meter und die Strasse steigt weiter. Manchmal überholen wir einsame Velofahrer. Unglaublich, was diese  in der Höhe und bei dieser Steigung leisten. Wahrscheinlich ist bei ihnen die Leidensfähigkeit angeboren. Meistens sind es Männer, aber wir treffen auch eine französische Familie mit drei Kindern auf insgesamt drei Velos. Sie sind schon sechs Monate in Südamerika unterwegs und sie verdienen unsere grösste Achtung. Dann, nach etwa 160 Kilometer, bereits auf argentinischen Boden, erreichen wir die gemeinsame Grenzabfertigungsanlage. Die erste Feststellung - die Höhe (4800 Meter) tut der Bürokratie keinen Abbruch. Mit einem Laufzettel müssen wir nacheinander vier Schalter aufsuchen, überall schwingen die Beamten den Stempel. Dann noch die eigentliche Kontrolle. Dabei werden unsere Obst- und Gemüsevorräte kurzerhand beschlagnahmt. Vor allem die Zwiebeln tun Romy leid. Wir haben nicht gewusst, dass die Einfuhr von Frischprodukten nach Argentinien verboten ist. Es stand auch nirgends geschrieben, aber vielleicht brauchen die Beamten, die in dieser Abgeschiedenheit arbeiten müssen, etwas Frisches?

In der nächsten Nacht erleben wir, hoch auf dem Altiplano, einen heftigen Sturm mit fantastischen Blitzen und furchteinflössendem Donner. Es wird uns dabei etwas mulmig, denn unser über drei Meter hoher Camper ist die einzige Erhöhung weit und breit. Am nächsten Morgen fahren wir wieder an Lagunen mit weissen Salzflächen in abflusslosen Tälern vorbei.


An einer Stelle wird Salz gewonnen. Die aufgeschichteten weissen Salzhalden sehen wie Eisberge aus. Sie erinnern uns kurz an die Antarktis. Dann verliert die Strasse in unzähligen scharfen Serpentinen an Höhe. Grosse Lastwagen - auf dieser Strasse erfolgt der Warenverkehr zwischen Chile und Argentinien - plagen sich im Schrittempo hinunter. Die meisten schaffen es, wir passieren aber auch einen, der in einer Kurve umgestürzt ist. Das Tal, oder besser gesagt die Schlucht, wird immer farbiger und gigantischer. Wie eine Kulisse aus einem Westernfilm ragen die steilen Wände empor und schillern in allen erdenklichen Farben. Am meisten davon sehen wir in Purmamarca. Dieser kleine Ort rühmt sich den Berg der sieben Farben zu besitzen. Ob es wirklich sieben sind? Wir haben das Gefühl, dass es viel mehr sind. Rund um den Berg führt eine etwa fünf Kilometer lange Piste. So viele Fotostops an einer so kurzen Strecke haben wir schon lange nicht mehr gemacht. Zurück im Ort gehen wir essen, denn wir möchten Lamafleisch probieren. Es schmeckt uns nicht schlecht, aber weiter empfehlen würden wir es auch nicht.



Der Norden Argentiniens mit den farbigen Schluchten und mehrere Meter hohen Kakteen gefällt uns sehr. Die Orte zeigen stolz die gut erhaltene Kolonialarchitektur. Salta ist die Hauptstadt dieser Region. Auch sie hat ausgesprochenes Flair, wenn es nur die bekannten Probleme nicht geben würde. Ein Königreich für einen Parkplatz für einen über drei Meter hohen Camper! Nach mehreren Versuchen lassen wir ihn einfach auf der Strasse stehen. Wir wundern uns sehr, dass wir nach der Besichtigung keinen Busenzettel bekommen haben. Dabei stehen an fast jeder Ecke mindestens zwei Polizisten.

Da es schon spät ist, gehen wir in den städtischen Camping, der schön rund um einen Badesee angelegt ist. Es war eine kluge Entscheidung. Haben wir uns am Abend gewundert, warum einige Besucher ihre Zelte in den Korridoren der sanitären Anlagen aufbauen, wissen wir am Morgen warum. Fast die ganze Nacht hat es stark geregnet. Draussen in der Pampa wäre es sicher nicht so angenehm gewesen.

Nun fahren wir wieder Richtung Süden. Aber nicht direkt, wir machen einen Umweg über Cachi. Die Strasse führt zuerst durch ein Tal mit subtropischer Vegetation und dann steigt sie unaufhörlich bis auf 3300 Meter. Hier wachsen nur noch Kakteen. Es sind gewaltige Exemplare, bis zu 10 Meter hoch und 200 Jahre alt. In Cachi erreichen wir die legendäre Ruta 40, die Traumstrasse, die sich wie ein Band etwa 5000 Kilometer von der bolivianischen Grenze bis nach Patagonien zieht. Leider ist sie auf diesem Abschnitt nur eine Schotterpiste. Hier fahren wir uns auch den ersten platten Reifen ein. Zum Glück hat uns der Vermieter zwei Reserveräder mitgegeben. Es folgen noch mehr Schluchten, eine farbenprächtiger als die andere. Dann sagen wir Argentinien Adieu und nehmen den San Francisco Pass unter die Räder. Hinter dem Pass liegt Chile. Aber davon später. 

Sonntag, 21. Februar 2016


Chile - Sternengucker und Kakteen

Zurück in Santiago de Chile übernehmen wir den Camper. Es ist ein Nissan Pickup mit aufgesetzter Wohnkabine. Sie ist gemütlich eingerichtet mit Heizung, Dusche, Klimaanlage und chemischer Toilette - alles Dinge, die wir im Brummi vermisst haben. Nur der Kühlschrank war besser. Dazu gibt es Bettwäsche, Geschirr und einige weitere Dinge.

Zuerst muss aber der Kühlschrank gefüllt werden. Einen Supermarkt zu finden ist mit ein paar Tücken verbunden, aber das Schachbrettmuster der Strassen macht es nicht all zu schwierig. Alles eingekauft und das Geld vom Bankomaten geholt - los geht es. Es heisst „El Norte“, nach Norden. Am Anfang fahren wir auf der Autobahn. In der Stadt wird sie elektronisch mittels eines kleinen Kästchens an der Windschutzscheibe bezahlt, später müssen wir das Geld selber zücken. Es dauert einige Zeit bis auch die letzten Vororte hinter uns liegen. Zum ersten Mal übernachten wir am Meer. Jetzt ist die Haupturlaubszeit der Chilenen, sie bauen grosse Zeltburgen am Strand, die zusätzlich durch Planen gegen Wind geschützt sind. Das ist bitter nötig, denn dieser bläst vom Meer her stark und unablässig. Das Wasser ist kalt, wir wundern uns, warum die Chilenen eigentlich Ferien am Meer machen. Wir stellen uns dazu und ordnen zuerst im Camper alle Dinge am richtigen Ort ein.

Weiter geht es nach La Serena. Wir fahren zügig, es gibt unterwegs nicht viel anzuschauen und ausserdem haben wir eine Vereinbarung. Eine Vereinbarung mit den Sternguckern, oder vornehmer ausgedrückt mit den Astronomen. Da das Hochland von Chile sehr viele klare Nächte hat (das gilt aber nicht für die Küste, dort herrscht praktisch immer Nebel), haben viele Staaten hier Observatorien gebaut - so auch die europäische EOS die Sternwarte La Silla in der Nähe von La Serena errichtet hat.


Wir haben uns einige Monate vorher für einen Besuch angemeldet. Das ist nötig, denn nur an Samstagen ist ein Besuch möglich, die Anzahl Plätze begrenzt und der Andrang ist gross. Das Observatorium liegt auf einer Höhe von etwa 2400 Meter, es gilt viele Kurven zu bewältigen. Die Strasse ist asphaltiert, die Europäer haben ja Geld. Oben angekommen gibt es allgemeine Erklärungen, dann werden uns die verschiedenen Teleskope gezeigt. Zuerst ein Radioteleskop, das, wie der Name sagt, nicht mit Licht, sondern mit Radiowellen arbeitet. Dann zwei optische, ein älteres Modell und ein ganz neues. Heute ist es aber so, dass nicht die Astronomen durch die Teleskope schauen, sondern es sind sehr empfindliche Digitalkameras. Einige haben eine Auflösung bis 257 Megapixel. Die Astronomen müssen also nicht die Nächte durchwachen sondern können bequem am folgenden Tag die gewonnenen Daten begutachten. Die Leistungen der Instrumente sind beindruckend - angeblich würden sie einen Menschen auf dem Mond erkennen. Neuerding ist das Programm HARP sehr aktuell. Im Rahmen dieses Programms wird weltweit nach Planeten gesucht, die Bedingungen für das Entstehen von Leben, ähnlich wie auf der Erde, aufweisen.

In Vallenar verlassen wir die viel befahrene Ruta 5 und fahren zur Küste. Zum Unterschied von dem Teil des Landes, welchen wir bis jetzt durchfahren haben, ist dieses Tal grün, es werden vor allem Oliven angebaut. Weiter geht es durch eine sehr schöne Gegend am Meer bis Caldera. Dann haben wir die Ruta 5 wieder erreicht und fahren bis Chanaral. Im Norden der Stadt liegt der Nationalpark Pan de Azucar.


Er hat schöne weisse Strände und im Hinterland viele Kakteen. Sogar ein Vicuna (eine wilde Lamaart) bekommen wir vor die Linse. Später verlassen wir die Ruta 5 wieder und fahren erneut zur Küste nach Taltal. Eine sehr schöne Küstenstrasse bringt uns nach Antofagasta.

Dort haben wir viel zu tun: wie immer suchen wir eine Möglichkeit einen Internetzugang zu finden, weiter stehen einkaufen, Geld holen und Wäsche waschen auf dem Programm. Natürlich kommt die Stadtbesichtigung nicht zu kurz, wobei das grösste Problem ist, einen Parkplatz für unseren, über drei Meter hohen Camper, zu finden. Gegen Abend fahren wir zu Portada.


Es ist eine natürliche Felsenbrücke im Meer, gepriesen als das Wahrzeichen von Antofagasta. Wir kommen gerade zur rechten Zeit, die Sonne geht unter und die Meeresvögel kehren zu ihren Nachtplätzen zurück. Romy jagt ihnen unermüdlich mit ihrem Teleobjektiv hinter her bis es dunkel wird.


Noch müssen wir die gewaschene Wäsche in der Stadt abholen, unterwegs besichtigen wir den Fischmarkt, der gestern geschlossen war. Interessanter als die Fischverkäufer sind allerdings die Pelikane, die hier auf die Fischabfälle warten. Dann geht es in die Wüste, wir fahren nach Calama. Wegen dieser Wüste wurde schon ein Krieg zwischen Chile und Bolivien geführt. Ursprünglich gehörte dieses Stück Land zu Bolivien. Der Grund der Auseinandersetzung war Salpeter, der hier in grossen Mengen vorkommt. Dieser Stoff war in den ersten Dekaden des letzten Jahrhunderts wichtig für die Erstellung von Sprengstoff und Kunstdünger. Wegen den Minen sind hier viele Städte entstanden und viele Leute wurden reich, denn die Chilenen besassen ein Monopol dafür. Doch dann hat ein findiger Chemiker herausgefunden, wie sich dieser Stoff (Nitrat) künstlich herstellen lässt und dazu noch billiger. Die Städte wurden zu Geisterstädten. Eine solche - „Chacabuco“ - besuchen wir. Es ist bedrückend zu sehen, wie eine ganze, recht grosse Stadt langsam zerfällt. In der Blütezeit hatte sie um 5000 Bewohner. Man versucht zwar einige Teile als historisches Erbe zu erhalten, doch der Zerfall ist unaufhaltsam. In der Zeit der Militärdiktatur diente ein Teil dieser Stadt als Gefangenenlager für politische Häftlinge.


In der Nähe von Calama liegt die grösste offene Kupfermine der Welt - „Chuquicamata“. Ein Besuch ist möglich, leider muss man sich Monate im voraus anmelden, was wir nicht gemacht haben, da wir nicht genau wussten, wann wir hier ankommen. Wir versuchen es trotzdem, schliesslich sagen immer ein paar Leute ab. Diesmal haben wir nur halbes Glück, es gibt nur einen einzigen freien Platz und der ist nur noch mit einem kleinen Trick erhältlich Klar, Romy ist die Expeditionsfotografin, also der Platz gehört ihr. Was sie gesehen hat, erzählt sie im nächsten Bericht.


Donnerstag, 11. Februar 2016


Die Oster Insel - wer hat sie hier hingestellt?

In Buenos Aires haben wir uns bei einem opulenten Abendessen von der Schweizer Antarktisgruppe verabschiedet und sind nun wie gewohnt alleine unterwegs. Zwei Flüge bringen uns über Santiago de Chile (dort logieren wir eine kurze Nacht im Flughafenhotel Holiday Inn, welches ich aber dummerweise mit dem Hilton verwechselt habe, wodurch wir eine kostbare Stunde Schlaf verlieren) zu der Osterinsel. Die Flüge hätten wir uns angenehmer gewünscht - der erste war mit vielen grossen Turbulenzen verbunden, bei dem zweiten sass neben mir ein Mann, der wegen seiner Leibesfülle von ungefähr 150 Kilogramm nur mit Mühe in den Sitz passte. Aber wir haben es geschafft. Die Osterinsel liegt mitten im Pazifik und gehört politisch zu Chile. Die Entfernung zum Festland ist gross, die Insel liegt so isoliert wie kein anderer bewohnter Ort auf der Erde. Der Flug von Santiago dauert fünfeinhalb Stunden. Über die Besiedlung, Geschichte und Kultur streiten sich die Gelehrten. Es erwartet uns eine tropische Insel - aber eine besondere. Denn eine Frage beschäftigt auch uns - wer hat sie hier hingestellt? Aber davon später…


Die Piste des Flughafens ist ungewöhnlich lang für diese kleine Insel. Der Grund: sie wurde als Notlandepiste für die amerikanische Space Shuttle ausgebaut. Wir werden mit Blumenkränzen begrüsst und zum Hotel gebracht. Obwohl das Hotel nicht gerade billig ist, merken wir bald, dass wir unseren bisherigen Unterbringungsstandard etwas herunter schrauben müssen. Aber das Hotel liegt in einem tropischen Garten, das entschädigt uns für die kleinen Unannehmlichkeiten. Später merken wir, dass alles hier etwas teuer ist - kein Wunder, denn praktisch alles muss vom Festland gebracht werden. Romy hat diese Zeit für unseren Besuch gewählt, weil hier ein Festival der Insulaner stattfindet. Im Unterschied zu Chile sind die Inselbewohner nicht spanischen Ursprungs, sondern gehören zu einer Südseevölkergruppe. Sie sprechen auch eine eigene Sprache. Dass sie ihre Kultur lieben und pflegen, erfahren wir gleich am ersten Abend. Unweit des Hotels, nahe am Meer, findet ein Gesangs- und Tanzwettbewerb statt. Natürlich fängt es fast eine Stunde später als angegeben an. Das ist hier aber normal, hier hat man noch Zeit. Es singen zwei Gruppen jeweils drei Lieder, die durch Tänze begleitet werden. Die Bedingungen sind einfach: es dürfen nur einheimische Lieder sein und es darf keine Wiederholung geben. Gesungen wird so lange, bis eine Gruppe einen Fehler macht, maximum aber fünf Stunden. Dann wäre es unentschieden. Wir halten ganze drei Stunden durch und gehen um ein Uhr nachts zurück zum Hotel - ohne den Sieger abzuwarten.



Am nächsten Tag gibt es an einem Strand ein Volksfest für alle Bewohner der Insel und auch wir dürfen teilnehmen. Der Höhepunkt ist das gemeinsame Essen. Im riesigen Erdofen garen langsam Fleisch und Süsskartoffeln. Als die Zeit kommt, wird das Essen mit grosser Aufmerksamkeit herausgeholt. Dann wird es durch einen Priester gesegnet und unter alle Anwesenden verteilt, gratis natürlich. Und das sind einige Tausende. Es schmeckt ausgezeichnet, auch wenn wir mit den Fingern essen müssen. Wir rasen von einem Kulturevent zum anderen, alle haben die ursprüngliche Kultur und Tradition im Mittelpunkt. Gesang, Tanz, Bootsrennen, Schwimmen, Holzschnitzerei, Herstellen von Lendenschürzen und Blumenkränzen, Theater, Erzählungen und vieles andere mehr finden auf verschiedenen Plätzen statt. Alles ist so, wie wir uns die Kultur in der Südsee und die Bräuche vorgestellt haben. 


Aber es gibt auch Bräuche, die mit einer Mutprobe der jungen Krieger zu tun haben. Klar, es gibt heute keine Krieger mehr, doch werden diese Traditionen weitergepflegt, so auch eine Art Bootsrennen über einen steilen Vulkankrater hinunter (mit Bananenbooten, wie die Einheimischen sie nennen). Da es hier ja kein Wasser gibt, muss der Grasbewuchs reichen. Als Boote dienen zusammengebundene Bananenstrunke. Wir teilen uns auf - Romy bleibt in der Zielgeraden und ich besteige den Krater. Es ist eine schweisstreibende Angelegenheit, zwei Schritte vorwärts, dann rutsche ich einen zurück. Endlich bin ich oben, ganz ausser Atem, gerade noch rechtzeitig. Die „Krieger“ beenden die letzten Vorbereitungen. Sie sind, bis auf einen Lendenschutz, nackt und ihre Körper und Gesichter sind bemalt. Dann geht das Rennen los. Einer nach dem anderen sausen die jungen Männer auf den behelfsmässigen Booten den Berg hinunter. Die erreichte Geschwindigkeit ist enorm und die Fahrer haben keinerlei Schutz. Und so kommt es, nachdem die erste Gruppe hinunter gefahren ist, zu einem schweren Unfall. Der junge Mann wird bei einer Bodenwelle durch die Luft geschleudert, schlägt hart auf dem Boden auf und bleibt dann regungslos liegen. Er wird in das einzige Krankenhaus der Insel gebracht. Das Rennen wird darauf abgebrochen.

 Nun lebt man bekanntlich nicht von der Kultur alleine. Wir sind mit der Frage gekommen, wer hat sie hier aufgestellt? Damit sind die Figuren, Moais genannt, gemeint, die auf verschiedenen Plätzen, hauptsächlich aber an der Küste stehen oder umgestürzt dort liegen. Sie machen die Osterinsel weltweit bekannt. Was ein Moai ist, erklärt am besten das nebenstehende Bild. Die Figuren sind aus Vulkangestein gefertigt, wiegen bis zu 80 Tonnen und sie trugen alle ursprünglich einen „Hut“, welcher es zusätzlich noch einmal auf zehn Tonnen brachte. In einem Vulkankrater befindet sich die „Fabrik“. Dort wurden sie aus dem Fels herausgehauen und mehrere Kilometer zum Aufstellungsort transportiert. Wie man das damals, ohne Mettalwerkzeuge und Fahrzeuge schaffte, dafür hat die Wissenschaft mehrere Theorien, aber keine davon ist bestätigt. Das Volk, das dieses Werk vollbracht hatte, hat keine schriftliche Überlieferung hinterlassen, es gibt nur mündliche Legenden. Auch der Grund für diese kräfteverzehrende Anstrengung ist unbekannt. Man kann viele Bücher darüber lesen und sogar ein Film (Rapa Nui) wurde darüber gedreht. Vieles ist unbekannt und vieles ist pure Romantik. Wir haben auf unseren Reisen in einigen Ländern gesehen, dass die jeweiligen Präsidenten überall eigene Statuen aufstellen lassen. Unsere neue Theorie ist, dass das hier auch möglicherweise der Fall war. Aber wie auch immer, unsere Frage - wer und warum wurden sie hier aufgestellt? - bleibt ungelöst.


Wir haben uns einen kleinen Suzuki-Geländewagen gemietet und klappen die historischen Stätte ab. Immer wieder staunen wir über die Leistung dieses unbekannten Volkes. Angeblich ist es wegen Übernutzung der kleinen Insel mit begrenzten Ressourcen zu Grunde gegangen, etwas was die heutige Menschheit als Warnung betrachten sollte. Als Beweis dient die erwähnte „Fabrik“. Dort liegen die Figuren in verschiedenen Stadien der Herstellung herum, als wenn man mit der Arbeit plötzlich hätte aufhören müssen.


Leider ist unsere Zeit auf der Insel schneller zu Ende gegangen als uns lieb ist. Vom frostigen Klima in der Antarktis haben wir uns schnell an die Tropen mit viel Sonne und leicht bekleideten Menschen gewöhnt. Die Südseemusik begleitet uns überall. Alles ist hier „easy going“, nur mit der Zeit nimmt man das nicht so genau. Wer pünktlich kommt, muss einfach warten. Wir warten auch, bis uns das Flugzeug wieder auf das Festland bringt.


Mittwoch, 3. Februar 2016


Antarktis - das kalte Ende der Welt

Diesmal geht es zu einem Ziel, das mit dem Brummi nicht zu erreichen wäre - in die Antarktis. Bis wir über Frankfurt in Buenos Aires ankommen sind, verbringen wir viele Stunden im Flugzeug. Wir schauen uns die Stadt kurz an, am Abend geniessen wir etwas übermüdet eine Tango Show und dann geht es weiter nach Ushuaia. Hier heisst es zum letzten Mal die Beine auf festem Land vertreten und dazu ist eine Küstenwanderung im Nationalpark Tierra del Fuego wie geschaffen. Sonst bietet die südlichste Stadt der Welt nicht viel. Unser Zuhause für die nächsten drei Wochen, das Schiff „Plancius", wartet schon im Hafen. Aber erst nach der obligatorischen Sicherheitsübung mit Schwimmwesten dürfen wir in See stechen. Verschiedene Alarme werden erklärt, unter anderen auch „Mann über Bord“. Von „Frau über Bord“ wird aber nichts gesagt. Wir haben eine gemütliche Kabine mit einem Fenster und allem nötigen Komfort. Am Anfang ist das Meer sehr ruhig, erst nach dem Verlassen des Beagle Kanals fängt das Schiff an zu schaukeln und zu rollen. Einige Passagiere haben Angst davor, gut erkennbar an einem kleinen Pflaster hinter dem Ohr, das die befürchtete Seekrankheit verhindern soll. Der Schiffsarzt erklärt uns: „Am Anfang der Seekrankheit wünscht ihr euch nicht zu sterben, wenn es euch dann aber voll erwischt hat, wünscht ihr euch nur noch zu sterben“. Wie auch immer, wir lassen uns das vorzügliche Abendessen schmecken. Den ganzen nächsten Tag fahren wir in Richtung Falkland Inseln. Langweilig wird es uns dabei nicht, an Bord gibt es interessante Vorträge über alles Mögliche - Geschichte, Geologie, Wetter, Tiere, Pflanzen und einiges anderes mehr. Die Vorträge in Englisch werden dabei simultan ins Deutsche übersetzt. Dazwischen fassen wir unsere Gummistiefel und lernen den Umgang mit Zodiacs, den Schlauchbooten, die erst eine Anlandung irgendwo in der Antarktis möglich machen.

Und dann ist es so weit: Land in Sicht, das Schiff wirft den Anker in einer Bucht und wir, ausgerüstet mit Gummistiefel, wasserdichter Kleidung und Schwimmwesten, steigen in die wackeligen Boote. Die Schutzkleidung ist auch nötig, denn wir bekommen etliche Spritzer ab bevor wir den Strand erreichen. Die Landung ist „wet“, das heisst, wir müssen kurz vor dem Strand ins Wasser steigen. Wenn dann gerade eine Welle kommt, dann ist es wirklich eine nasse Angelegenheit. Die Insel heisst „Carcass Island“ und gehört einem Schafsfarmer. Diesen besuchen wir später, doch zuerst gehen wir zu einer Pinguinkolonie, wo Magellan- und Eselspinguine leben. Zum ersten Mal auf dieser Reise sehen wir diese putzigen Tiere. 


Die Magellanpinguine sind die einzige Pinguinenart, die in selbst gegrabenen Erdlöchern nistet. Keine schlechte Idee, denn viele Raubvögel warten auf eine günstige Gelegenheit, ein Ei oder ein kleines Küken zu erbeuten. In der Kolonie der Eselspinguine herrscht grosses Gedränge und lautes Geschrei, ähnlich wie in einem Eselstall. Darum haben diese Pinguine auch den Namen bekommen. Der Dichtestress ist hier aber gewollt und kann Leben retten. Dort, wo Gedränge herrscht, haben die Raubvögel nur eine kleine Chance, ein Jungtier zu ergattern. Nach zwei Stunden Fussmarsch mit vielen Fotostops gelangen wir zum Haus des Farmers.


Dort erwartet uns eine Überraschung der anderen Art: English Tea mit vielen köstlichen Süssigkeiten werden uns angeboten. „Ja, wie es wohl so ist, auf einer Insel, alleine ohne Nachbar zu leben?“ Die zweite Anlandung ist auf Saunder Island.



Dort besichtigen wir eine Albatroskollonie. Erstaunlich, es herrscht hier ein friedliches Multi-Kulti. Albatrosse, Kormorane und Pinguine leben dicht gedrängt zusammen. Unten am Strand sehen wir unsere ersten Königspinguine. Wunderschön diese Vögel! Der letzte Besuch gilt der Hauptstadt Stanley. Sie ist sehr klein, um die 2000 Menschen leben hier, und sie ist „very britisch". Die meisten Fahrzeuge hier sind Landrover. Die Falklandinseln sind 1982 wegen des kurzen Krieges zwischen England und Argentinien in das Interesse der Weltöffentlichkeit gerückt. Nach der argentinischen Besetzung wurden die Inseln in 78 Tagen von der britischen Seemacht wieder befreit. Zum Dank und zur Erinnerung an die gefallenen Soldaten wurden einige Denkmäler errichtet. Die Bevölkerung der Insel lebt vor allem von der Schafzucht und den Lizenzgebühren für die Fischerei im Umkreis der Inseln. Die Erschliessung der Ölvorkommen in der Umgebung wurde im Moment wegen des niedrigen Ölpreises zurückgestellt. Ab hier sind wir vier Passagiere weniger an Bord. Der Schiffsarzt hat entschieden, dass die Kranken von hier aus zurück nach Hause reisen müssen, da die Symptome nicht unklar sind. Die Angst vor einer Epidemie auf dem Schiff ist gross.


Dann folgen zwei ganze Tage auf See bis wir Südgeorgien erreichen - teils ruhig, teils sehr „ruppig“. Diese Inselgruppe unter britischer Verwaltung ist ein Naturjuwel. Früher wurden hier Wale und Pelzrobben zu Hunderttausenden gejagt und getötet, wovon einige verlassene Walfangstationen zeugen. Heute ist die Insel streng geschützt. Aufwendige Programme wurden gestartet, um die Inseln von den durch Menschen eingeführten Tieren wie Ratten und Rentieren zu säubern. Das Wildleben hat sich seitdem prächtig erholt. Wir landen in Salisbury Plains und später in der St. Andrews Bay bei Königspinguin-Kolonien, wo sich schätzungsweise je 250 000 Brutpaare aufhalten. Sie künden sich von weitem mit ohrenbetäubendem Gekreische und auch mit Gestank an. Die Küken sind um diese Zeit schon recht gross, sie verlieren gerade ihre braunen Babyfedern. Erst nach dem Mausern können sie ins Wasser, jetzt werden sie noch gefüttert. Die Ankunft der Eltern wird mit lautem Geschrei begrüsst. Bis die Eltern aus dem Meer zurückkommen stehen die Jungen herum und warten ungeduldig im kalten Wind. Für uns ist es unerklärlich, wie die Elterntiere ihren Nachwuchs überhaupt in diesem Gedränge finden können.


Auch viele Pelzrobben bevölkern den Strand. Ihre Babys sind etwa 6 Wochen alt. Sie tollen herum und üben sich spielerisch in Ringkämpfen. So verkürzen sie sich die Zeit bis ihre Mütter von der Nahrungssuche im Meer kommen um sie zu stillen. Obwohl sie noch klein sind, darf man ihnen nicht allzu nah kommen, sonst fletschen sie sofort die Zähne und starten Scheinangriffe.


Das alles erleben wir im Sonnenschein, ich glaube, Romy hat noch nie so viele Bilder an einem einzigen Tag geschossen. Die Landungen mit den Zodiacs sind inzwischen für die meisten Teilnehmer zur Routine geworden. Die Gummistiefel, die uns zu Verfügung gestellt wurden, sind unbezahlbar, denn es gibt nur nasse Anlandungen. Die Stiefel müssen vor und nach jeder Landung gereinigt und desinfiziert werden, um nicht Samen und andere lebende Organismen oder Parasiten von einem Ort zum anderen zu übertragen. Das Einzige, was unberechenbar ist, ist das Wetter, war es am Vormittag noch sonnig, kommen wir vom nächsten Landgang am Nachmittag vollkommen durchnässt zurück. Es regnet fast waagrecht, gemischt mit einigen Schneeflocken. An Fotografieren ist dabei gar nicht zu denken. Aber wie es so schön heisst, das Wetter ist nie schlecht, nur die Kleidung.

 Die verlassenen Walfangstationen dürfen nicht betreten werden, ausser in Grytviken, wo die Station renoviert wurde und alle gefährlichen Materialen, vor allem Asbest, entfernt wurden. Leider wurden auch die meisten Gebäude abgetragen, die rostigen Kessel, Tanks, Förderbänder und Röhren stehen nun im Freien herum. Die Anlage wurde bis 1965 betrieben. Unser Besuch hier fängt am Friedhof beim Grab des berühmten Polarforschers Shackleton an. Mit Whisky wird auf das Gelingen der Expedition angestossen und dabei ein kleiner Schluck auf sein Grab gegossen. So will es die Tradition. Der Friedhof wird momentan von dösenden See-Elefanten „belagert“, der Zugang ist nur auf Umwegen möglich.

Grytviken ist der einzige ständig bewohnte Ort auf Südgeorgien. Einige britische Regierungsbeamte walten hier ihres Amtes, um das riesige Territorium zu verwalten und die strengen Schutzbestimmungen durchzusetzen. Auch ist hier eine Forschungsstation angesiedelt. Früher haben an dieser Stelle pro Season rund 400 Männer in jeweils Zwölfstundenschichten schwer geschuftet. Alles war vorhanden, sogar ein Kino und ein Fussballplatz. Geblieben ist nur die restaurierte Kirche und das Postamt, das heute noch in Betrieb ist. Es gibt sogar südgeorgische Briefmarken zu kaufen.“ Wie lange wird es wohl dauern bis eine Postkarte zu Hause angekommen ist?“ Sonst erinnert die Anlage mehr an einen Schrottplatz. Es ist viel einfacher alles zum historischen Erbe zu erklären anstatt es abzutransportieren. Auch die Villa des Stationsmanagers wurde restauriert und dient heute als Museum.

Leider ist die letzte Anlandung auf Südgeorgien in der Cooper Bay starkem Seegang zum Opfer gefallen. Dabei haben wir uns auf die versprochene Goldshopfpinguine so gefreut. Der Kapitän entschädigt uns mit der Fahrt im Drygalski Fjord, entlang steiler Berge bis hin zum Gletscher am Ende des Fjordes. 


Unsere vier Tage auf Südgeorgien mit insgesamt acht Anlandungen und Zodiacfahrten sind schneller vorbei als uns lieb ist, es erwarten uns nun einige weitere Seetage bis wir die Südorkney Inseln tiefer im Süden erreichen.

Zwei Seetage sind sie entfernt, die aber ruhig verlaufen. Oder sind wir bereits seefest? Zur Abwechslung besuchen wir hier keine Tiere sondern die argentinische Forschungsstation Orcadas. Sie soll die älteste Forschungsstation in der Antarktis sein, gegründet 1904. Etwa 17 Forscher arbeiten hier. Wobei einige böse Zungen behaupten, dass die Argentinier nicht so sehr an der Forschung interessiert sind, sondern viel mehr an der Gebietssicherung. Zwar sind alle Gebietsansprüche durch den Antarktischen Vertrag bis 2041 zurückgestellt, aber man tut gut daran sich darauf zu vorbereiten, was danach kommt. Dieser Vertrag verbietet auch eine militärische Nutzung, Abbau von Rohstoffen, deponieren vom radioaktiven Material und anderen schädlichen Aktivitäten. Auch die touristische Nutzung wird darin geregelt.

Wir leben gut auf der Plancius. Die Küche lässt sich sehen, der Weinkeller und die Bar sind gut bestückt, die Preise moderat. Der Chefkoch erklärt uns in einem interessanten Vortrag, wie er es schafft, für 150 Leute (ungefähr 100 Passagiere und die 50 köpfige Besatzung) für drei Wochen einzukaufen und zu kochen - auch bei grossem Seegang. Und wirklich, es gibt genug zu essen bis Ende der Fahrt - ausser Bananen, die nach etwa 10 Tagen ausgegangen sind. Auch die Abfallentsorgung wird angesprochen. Sogar eine Party geht eines Abends los - Claudia, eine Frau aus der Schweizergruppe feiert ihren Geburtstag und wir alle sind eingeladen. Und weil es so gut gelungen ist und der Zufall es so will, wird die Party am nächsten Tag beim Geburtstag von Martha wiederholt.


Dann geht es noch einige Tage mit vielen Eisbergen rund um das Schiff weiter zum eisigen Kontinent. Ab und zu gibt es einen „Wale-Alarm“ auf dem Schiff, immer dann, wenn von der Brücke Wale gesichtet werden. Manchmal kommen diese Tiere dem Schiff recht nah. Unterwegs halten wir am Point Wild auf Elephant Island an, genau an der Stelle, wo die Männer der Shackletons Expedition 128 Tage ausharren mussten bis Shackleton auf einem kleinen Boot Südgeorgien erreicht und die Rettung organisiert hatte. Diese Leistung ist in die Geschichte der Entdeckungen eingegangen. Obwohl Shackleton nicht viel Neues entdeckt hat und seine Expedition eigentlich gescheitert war, wird er nun im Zusammenhang mit der frühen südlichen Polarforschung am meisten erwähnt. Vor allem wird ihm hoch angerechnet, dass er keinen einzigen Mann seiner Expedition verloren hat. Aber das Denkmal an der Stelle, wo wir landen, ist nicht ihm gewidmet, sondern dem chilenischen Kapitän des Schiffes, welches die Männer am Ende gerettet hat. Unsere Landung ist etwas mühsam, der ganze Strand ist durch Eisblöcke blockiert. Hunderte von Zügelpinguinen heissen uns mit ohrenbetäubendem Geschrei (und penetrantem Gestank) willkommen. Natürlich fehlen auch die Pelzrobben nicht. Nur für die See-Elefanten ist der Strand anscheinend zu klein. Auf dem Rückweg zum Schiff werden plötzlich Wale gesichtet. Es sind drei oder vier Finnwale. Gut eine Stunde fahren wir kreuz und quer durch die Bucht. Immer wieder tauchen die riesigen Tiere auf, oft in sehr kleiner Entfernung zum Boot. Es ist faszinierend ihnen zuzuschauen, gleichzeitig aber auch etwas beängstigend, in einem zerbrechlichen Schlauchboot so nah bei diesen gewaltigen Tieren zu sitzen.

Am nächsten Tag erreichen wir bei Brown Bluff den sechsten Kontinent. Es ist nicht „nur“ eine Insel wie bisher, sondern die Antarktische Halbinsel, die, wie der Name sagt, ein Teil des Kontinent Antarktis ist. Leider ist im Moment die Sicht durch dicken Nebel beeinträchtig und der Strand vollkommen durch Eisschollen blockiert. Es scheint, dass der sechste Kontinent von uns nichts wissen will. Doch unsere Expeditionsleitung hat immer einen Plan „B“. Wir fahren ein Stück zurück, vorbei an der argentinischen Station „Esperanca“ in die Hope Bay. Dort ist eine Landung möglich. Eine kleine Bemerkung zu der Forschungsstation: Vor einigen Jahren haben die Argentinier eine schwangere Frau dort hin gebracht, damit sie dort ihr Kind zur Welt bringt. Somit war der erste antarktische Bürger geboren. Vielleicht gehört das auch zur argentinischen Polarforschung. In der Hope Bay dürfen wir dann doch unsere Füsse auf das Festland setzen. Es gibt dort zwei Pinguinkolonien - Esels- und Adéliepinguine. Die letzteren gelten als die schönsten und auch die lustigsten. Ihre Jungen sind schon recht gross, mit ihren Flaumfedern erscheinen sie sogar grösser als die Eltern. Sie veranstalten auch regelrechte Rennen, in welchen es darum geht, wer von den zwei Küken zuerst gefüttert wird. Obwohl die Welt hier friedlich erscheint, ist sie doch voll Gefahren, Leben und Tod liegen nah beieinander. Davon zeugt ein Pinguin mit einer tiefen, blutigen Wunde, anscheinend von einem Seeleoparden zugefügt. Ob er es schafft zu überleben? Dass wir den wahrscheinlichen Übeltäter bei unserer Rückkehr zum Schiff auf eine Eisscholle liegen sehen ist der Höhepunkt des heutigen Tages.

Es scheint, dass eine Anlandung am Tag genügen muss. Keine der geplanten Anlandungen am nächsten Tag kann durchgeführt werden. Weder in Ciera Cove noch in Portal Point. „Der Wind ist einfach zu stark“, heisst es. Als Entschädigung sehen wir eine grosse Gruppe Killerwale, auch Orcas genannt. In der Wilhelmina Bucht haben wir mehr Glück.


Zwar kann hier auch keine Anlandung durchgeführt werden, dafür tummeln sich dort viele Buckelwale. Mit den Zodiacs kommen wir ihnen sehr nah. Es ist ein erhabenes Gefühl, wenn einer von ihnen, nur ein paar Meter vom Boot bläst. Diese Wale zeigen beim Abtauchen die Schwanzflosse, was natürlich sehr fotogen wirkt. Nur ist es heute besonderes schwierig im Regen vom schwankenden Boot aus im richtigen Augenblick den Kameraauslöser zu drücken.

Auch am nächsten Tag wir das Wetter nicht besser. Wir laufen die Deception Island an. Diese Insel ist ein riesiger, schlafender Vulkan, wird uns versichert. Die Strände sind schwarz und es hat nur wenige Tiere hier. Das Meer ist an einer schmalen Stelle in die Caldera eingebrochen und hat so einen gut geschützten Hafen geschaffen. Das haben die Walfänger schon früher erkannt und im Inneren des Kraters eine Walfangstation errichtet. Wie schon in Süd Georgien rosten die Überbleibsel der Anlage am Strand als historisches Erbe der Menschheit vor sich hin. Die vulkanische Aktivität ist aber immer noch vorhanden. Früher konnte man am Strand ein Becken im Sand ausbuddeln, welches sich nach kurzer Zeit mit warmem Wasser füllte, um darin zu baden. Das Buddeln ist heute nicht mehr erlaubt. Baden dagegen schon, aber wer mag schon in das zwei Grad warme (oder besser gesagt kalte?) Wasser steigen? Zwei aus der Gruppe wagen es trotzdem - sie bleiben genau drei Sekunden drin.

Dann müssen wir leider der Antarktis adieu sagen. Der Kurs geht nun Richtung Norden. Doch es liegt noch ein gewaltiger Brocken vor uns bevor wir in Ushuaia den südamerikanischen Kontinent erreichen. Es gilt die bei früheren Seefahrern berühmt-berüchtigte Drake Passage zu überwinden. Dazu braucht das Schiff zwei weitere Tage. Und bald spüren wir, was das heisst. Das Schiff tanzt auf den Wellen, es ist ein Ritt ohne Erbarmen. Nun wissen wir auch wozu die Haltegriffe neben dem WC dienen. Der endgültige Test, ob wir auf dieser Reise unsere Seetüchtigkeit verbessert haben, beginnt.

P.S.

Der Test wurde ganz knapp bestanden




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